Über das Entziffern alter Handschriften

Um alte Handschriften entziffern zu können bedarf es einiger Übung und Routine. Dabei ist es mitunter notwendig, sich von gewohnten Lese-Mechanismen zu trennen. Man muss also ganz von vorn beginnen und sich zunächst in die Schriftart im Allgemeinen und in das spezifische Schriftbild im Besonderen einlesen. Dabei ist es hilfreich, sich die Buchstaben einzeln vorzunehmen, was unseren üblichen Lesegewohnheiten widerspricht. Es ist aber unverzichtbar, wenn man Fehler vermeiden möchte. Auf die Fähigkeit, geschriebene Worte auf den ersten Blick zu erkennen, ist kein Verlass, wenn es darum geht, alte Handschriften entziffern zu wollen.
Je mehr Text in der jeweiligen Schrift vorliegt, desto besser kann man Buchstaben miteinander vergleichen und sich in das Schriftbild einarbeiten. So können bereits entschlüsselte Teile als Vorlage und Hilfestellung für noch nicht verstandene Abschnitte dienen. Dabei ist es hilfreich, zuerst nach bekannten Worten zu suchen, die sich eindeutig lesen lassen. So erhält man Aufschluss überdie Schreibweise bestimmter Buchstaben und kann diese Erkenntnisse schrittweise auf den übrigen Text anwenden. Wichtig ist, dass die Eigenarten des Schriftbildes heraus gearbeitet werden: Wie sieht beispielsweise das “e” oder das “n” aus? Ist das “u” durch einen Bogen gekennzeichnet?
Darüber hinaus können Worte auch aus dem Kontext erschlossen werden. Führt die Konzentration auf einzelne Buchstaben zu keinem Ergebnis, sollte der Zusammenhang des Textes berücksichtigt werden. Auch lautes Lesen kann schwierige Stellen verständlicher machen. Sinnvoll ist es zudem, die Schreiblinien voneinander zu separieren, da schwungvolle Bögen häufig in andere Zeilen hinein ragen, was das Lesen zusätzlich erschwert.
Möchte man alte Handschriften entziffern, sollte man aktuelle Regeln zu Orthographie, Grammatik und Interpunktion außer Acht lassen. Ungewohnte Rechtschreibung, das Schreiben nach Gehör und Dialektausdrücke sind fester Bestandteil alter Handschriften. Nachschlagewerke und Buchstabentabellen können nützliche Hilfsmittel beim Lesen alter Handschriften sein und stehen auch im Internet zur Verfügung.