Eine kleine Geschichte der Sütterlinschrift
Eine schöne Handschrift ist etwas, das die Menschen schon immer angestrebt haben. Doch bei der Entwicklung der Sütterlinhandschrift spielte die Ästhetik eine untergeordnete Rolle: Sie sollte vor allem gut lesbar sein. Im Jahr 1911 entstanden zwei Formen dieser neuen Handschrift, die deutsche Sütterlinschrift und die lateinische Sütterlinschrift. Die Schrift wurde nach ihrem Erfinder, dem Grafiker und Pädagogen Ludwig Sütterlin (1865-1917), benannt.
Die Schrift hat sich im Laufe der Zeit häufig verändert. Zunächst war es üblich, mit Tierfedern und Tinte zu schreiben. Seit dem 19. Jahrhundert benutzte man allerdings zunehmend Schreibfedern aus Stahl. Diese waren sehr spitz und wesentlich schwerer zu handhaben. Es gab verschiedene Versuche, die Handschrift an die Stahlfeder anzupassen. Die auffälligsten Merkmale waren dabei die starke Neigung der Schrift nach rechts sowie ausgeprägte Ober- und Unterlängen. Das führte dazu, dass die Handschriften nur noch sehr schwer lesbar waren.
Sütterlin bezeichnete diese Entwicklung gar als „Niedergang der deutschen Schrift“. Vor allem Schulkinder, die das Schreiben gerade erst erlernten, fiel es schwer, mit der neuen Feder zu schreiben. Deshalb entschied die preußische Regierung bald darauf, die bestehende Kurrentschrift an die neuen Stahlfedern anzupassen. Das Schulministerium beauftragte Ludwig Sütterlin im Jahr 1911 damit, eine einfachere Schrift zu entwickeln. Diese Ausgangsschrift sollte an die Anatomie kleiner Kinderhände angepasst und besonders leicht umzusetzen sein. Der Hintergedanke dabei war, dass die Kinder zunächst eine Grundschrift erlernten, um auf deren Basis später eine individuelle und schöne Erwachsenenhandschrift zu entwickeln. Sütterlin vereinfachte zuerst die Form der Buchstaben. Außerdem stellte er die Buchstaben senkrecht und reduzierte die Ober- und Unterlängen der Schrift deutlich. Somit entstand eine Schrift mit Ober-, Mittel- und Unterlängen in einem gleichmäßigen Größenverhältnis von 1:1:1. Gleichzeitig empfahl er, dass die Schulkinder mit einer Kugelspitzfeder schreiben sollten, da diese besonders gut zu handhaben war.
Schönheit und Kunstfertigkeit stand bei der Sütterlinschrift also nicht im Vordergrund. Vielmehr wurde eine einheitliche, gut lesbare und leicht vermittelbare Schrift angestrebt. Bereits ab 1914 starteten erste Versuche mit der neuen Ausgangsschrift an preußischen Grundschulen. Aufgrund ihres Erfolg wurde sie 1924 verbindlich in den Lehrplan aufgenommen. Die vorherige Kurrentschrift verschwand aus den Schulen. Im Jahr 1935 wandelte man die Schrift noch einmal etwas ab. Sie enthielt nun weniger Rundungen und eine leicht Schräglage nach rechts. Diese „Deutsche Volksschrift“ verboten die Nationalsozialisten 1941. Nach dem Krieg wurde Sütterlin bis in die 80er-Jahre hinein an vielen Schulen als Zweit- und Schönschrift wieder in den Lehrplan aufgenommen.
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